Dienstag, Oktober 31, 2006
Sonntag, Oktober 29, 2006
Foucault, warum warst du so klug ?
Als ich während der Klassenreise in der 12ten meinen ersten Band von Foucault, im Reisebus während der Überlandfahrt durch die Idylle der Toscana, las, fühlte ich mich noch gut unterhalten. Foucaults sprachlicher Ausdruck und seine polemischen und rhetorischen Feuer waren ein wahrer Leckerbissen. Allein: Das Lesen dieser Lektüre bot für mich noch genügend Abstand, als dass ich mich, angesichts der thematischen heißen Eisen, die sich Foucault hier vornahm (Macht, Sexualität, Strafvollzug und Psychiatrie), unangenehm berührt hätte fühlen können.
Das war ja so weit weg. Seine Ausführungen zur strukturellen Transformation der Herrschaftsideologie der Katholischen Kirche hin zur Überwachungsideologie der Psychiatrie der Moderne während des Mittelalters - das war Jahrhunderte her. Sie wirkten ein wenig wie Märchenerzählungen aus einer Welt, die einen gar nicht betrifft. Bei allem Charme und Esprit, den Foucault ausstrahlte, wirkten seine Schlussfolgerungen auch oft viel zu übertrieben, seine Kritik viel zu fundamental, als dass man sie tief in sich so einfach hätte glauben können, ja glauben wollen, oder gar glauben müssen.
Zu exponiert waren dazu die Stationen in Foucaults Leben, das offene Bekenntnis zu seiner Homosexualität, seine notorische Grenzgängerei zwischen den akademischen Disziplinen und die damit einhergehende Ermangelung einer wirklichen Würdigung und Anerkennung seiner Arbeit durch die elaborierten Universitäten zu Lebzeiten, all verwies zu deutlich darauf, wie Foucault selbst Ausgangspunkt, Mitspieler und Katalysator der Welt war, wie sie ihm erschien, und wie er sie für uns beschrieb. Man konnte einfach sagen, das ist nicht die Welt, das ist bloß seine Welt.
Doch in seinen exzentrischen Alleingang durch die Fachbereiche verstand er es, Zusammenhänge zu Tage zu fördern, und Fragestellungen auf zu werfen, die für viele Studenten, besonders in den Sozialwissenschaften, kritisch Denkende und Individualisten eine Quelle der Inspiration waren. Und sie fühlten sich selbst und ihrem leidenschaftlichen Drang ein Sprachrohr gegeben. Noch heute kann bei uns mit Faszination beobachtet werden, wie sich bei Lehrveranstaltungen zu Michel Foucault, die Hörsäle nicht nur zur Gänze füllen, sondern interessierte Studierende schon dicht gedrängt vor dem Podium auf dem Boden sitzend noch weitere Trauben junger Menschen auf den Fluren auf Einlass hoffen. Sein Lebenslauf belegt es. Foucault war ein Überzeugungstäter. Er wirkte authentisch. Das macht ihn für junge Menschen so besonders sympatisch.
Nach knapp sechs Jahren Studium fällt es schwer, sich noch die Unbefangenheit und Leichtigkeit zu erhalten, mit der man Foucault genoss. Denn man wird gewahr, mit vielem hatte er so recht. Aller Polemik und Provokation entkleidet, finden sich in den Schriften so klare Beschreibungen, kühle Beobachtungen und wertvollste Neologismen zur Dechiffrierung der Mikrophysik gesellschaftlicher Macht, die, wenn die sich nach Idylle sehnende Seele auch rebellieren mag, sich dem Geist stets aufs neue als zutreffende und einleuchtende Mittel wissenschaftlicher Analyse erweisen.
Als einer von innerer Wissbegierde wie von äußerem (gesellschaftlichem) Argwohn und Skepsis, gleichermaßen getriebener, wurde er zum Akteur und Chronisten einer Episode der Wissenschaftsgeschichte und Advocatus Diaboli der Pax Humanae, der scheinbar so friedlichen Koexistenz akademischer Fachrichtungen.
TP meinte dazu auch: "Sein Hauptaugenmerk gilt daher den Disziplinen und Instanzen, denen diese Normalisierung (meist mit dem Anspruch zu behandeln, zu helfen, sogar zu befreien) obliegt: Pädagogik, Psychologie, Psychiatrie, Medizin, Kriminologie, Justiz. Deren Umgang mit dem Subjekt, ihre Diskurse über den Menschen, die das Subjekt erst konstituieren, gilt es zu hinterfragen. Die dunkle Seite der Aufklärung sieht Foucault dabei gerade im "Humanismus":
Ich verstehe unter Humanismus die Gesamtheit der Diskurse, in denen man dem abendländischen Menschen eingeredet hat: Auch wenn du die Macht nicht ausübst, kannst du sehr wohl souverän sein. Ja, ...je besser du dich der Macht unterwirfst, die über dich gesetzt ist, umso souveräner wirst du sein. Der Humanismus ist die Gesamtheit der Erfindungen, die um diese unterworfenen Souveränitäten herum aufgebaut worden ist: die Seele (souverän gegenüber dem Leib, Gott unterworfen), das Gewissen (frei im Bereich des Urteils, der Ordnung der Wahrheit unterworfen), das Individuum (souveräner Inhaber seiner Rechte, den Gesetzen der Natur oder den Regeln der Gesellschaft unterworfen).
Michel Foucault: Von der Subversion des Wissens, Frankfurt 1978, S.114"
Foucault, warum warst du so klug ? -ed
Donnerstag, Oktober 26, 2006
Un-Verständlich ?!
Ich wurde bereits mehrfach darauf angesprochen, dass die Beiträge hier nicht leicht zu verstehen sind, oder so aus dem Zusammenhang fallen, dass sich die Bedeutung nicht erschließt.
Offenbar fällt es mir momentan schwer, emotionale Erregungen zu zügeln, und mich einer nüchternen Gliederung der Texte zu besinnen. Fehlende publizistische Begabung und Übung, tut dann ihr übriges. Viele Leser/innen fühlten sich so eher verwirrt. So soll es natürlich nicht sein.
Wie könnte eine Lösung aussehen ?
Es wäre schön, wenn mir jemand etwas von seiner Distanz und Gelassenheit schenken könnte, diese Dinge mit etwas mehr Ruhe zu beschreiben. Ich suche daher Menschen und Blog-Leser/innen, die Lust haben, mit eigenen Texten ein besseres Verständnis zu ermöglichen. Bitte, her mit euren Vorschlägen! ;o)
Außerdem müssen noch einige Fakten und Belege zusammengestellt werden. Sonst kann man das ja nur schwer glauben.
cosmo@netactivism.de - cosmo@netactivism.de
Die Komplexität des Themas ist leider aberwitzig. Daher meine Aufmunterung, die wichtigsten Verständnisfragen direkt unter den Kommentaren einzutragen. Dann fiele es leichter, bestimmte Lücken zu schließen.
Mittwoch, Oktober 25, 2006
Widrige Zeiten !
die Stimme aus dem Off im Vorspann des Films "Hass" meinte:
"Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt.
Und bis hierher lief's noch ganz gut.
Bis hierher lief's noch ganz gut.
Doch das ist nicht wichtig,
wichtig ist nur der Aufschlag."
Bereits 1995 thematisierte der Kultfilm den prekären Alltag in den Armenghettos der Pariser Vorstädte. Gut zehn Jahre bevor Bilder von brennenden Autos in den Nachrichten die Öffentlichkeit überraschten. Die gewaltbereiten Proteste jährten sich heute zum ersten Mal.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland wagte sich gestern mit einer - für viele zugegebenermaßen provokativen - These an die Öffentlichkeit: «Antisemitische und rechtsradikale Attacken haben eine Offensichtlichkeit und Aggressivität erreicht, die an die Zeit nach 1933 erinnert.» ( Artikel Netzeitung ).
Vielleicht erscheint manchen ein solcher Fokus ja zu moralinsauer, zu politisch oder radikal. Doch man sollte auch nicht Vergessen, dass die Idee der Freiheit für uns alle lange Zeit hart erkämpft wurde und viele Menschen dafür auch Leben ließen. Allein: diese Idee kann nur leben, wenn Sie auch heute noch von lebenden Menschen geglaubt wird. Und sie müssen an ihre Idee von dieser Freiheit glauben, denn jede andere verlöre sich in den Spiegelungen eines pluralistischen Relativismus, bis sie nicht mehr die Kraft hätte, Menschen zu begeistern. Mahnungen gab es viele, sie verhallten folgenlos. Diese Idee erhält ihre Ausstrahlung auch nur dann, wenn sie authentisch gelebt und vorgelebt wird.