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Benjamin Franklin

Sonntag, Oktober 29, 2006

Foucault, warum warst du so klug ?

Als ich während der Klassenreise in der 12ten meinen ersten Band von Foucault, im Reisebus während der Überlandfahrt durch die Idylle der Toscana, las, fühlte ich mich noch gut unterhalten. Foucaults sprachlicher Ausdruck und seine polemischen und rhetorischen Feuer waren ein wahrer Leckerbissen. Allein: Das Lesen dieser Lektüre bot für mich noch genügend Abstand, als dass ich mich, angesichts der thematischen heißen Eisen, die sich Foucault hier vornahm (Macht, Sexualität, Strafvollzug und Psychiatrie), unangenehm berührt hätte fühlen können.

Das war ja so weit weg. Seine Ausführungen zur strukturellen Transformation der Herrschaftsideologie der Katholischen Kirche hin zur Überwachungsideologie der Psychiatrie der Moderne während des Mittelalters - das war Jahrhunderte her. Sie wirkten ein wenig wie Märchenerzählungen aus einer Welt, die einen gar nicht betrifft. Bei allem Charme und Esprit, den Foucault ausstrahlte, wirkten seine Schlussfolgerungen auch oft viel zu übertrieben, seine Kritik viel zu fundamental, als dass man sie tief in sich so einfach hätte glauben können, ja glauben wollen, oder gar glauben müssen.

Zu exponiert waren dazu die Stationen in Foucaults Leben, das offene Bekenntnis zu seiner Homosexualität, seine notorische Grenzgängerei zwischen den akademischen Disziplinen und die damit einhergehende Ermangelung einer wirklichen Würdigung und Anerkennung seiner Arbeit durch die elaborierten Universitäten zu Lebzeiten, all verwies zu deutlich darauf, wie Foucault selbst Ausgangspunkt, Mitspieler und Katalysator der Welt war, wie sie ihm erschien, und wie er sie für uns beschrieb. Man konnte einfach sagen, das ist nicht die Welt, das ist bloß seine Welt.

Doch in seinen exzentrischen Alleingang durch die Fachbereiche verstand er es, Zusammenhänge zu Tage zu fördern, und Fragestellungen auf zu werfen, die für viele Studenten, besonders in den Sozialwissenschaften, kritisch Denkende und Individualisten eine Quelle der Inspiration waren. Und sie fühlten sich selbst und ihrem leidenschaftlichen Drang ein Sprachrohr gegeben. Noch heute kann bei uns mit Faszination beobachtet werden, wie sich bei Lehrveranstaltungen zu Michel Foucault, die Hörsäle nicht nur zur Gänze füllen, sondern interessierte Studierende schon dicht gedrängt vor dem Podium auf dem Boden sitzend noch weitere Trauben junger Menschen auf den Fluren auf Einlass hoffen. Sein Lebenslauf belegt es. Foucault war ein Überzeugungstäter. Er wirkte authentisch. Das macht ihn für junge Menschen so besonders sympatisch.

Nach knapp sechs Jahren Studium fällt es schwer, sich noch die Unbefangenheit und Leichtigkeit zu erhalten, mit der man Foucault genoss. Denn man wird gewahr, mit vielem hatte er so recht. Aller Polemik und Provokation entkleidet, finden sich in den Schriften so klare Beschreibungen, kühle Beobachtungen und wertvollste Neologismen zur Dechiffrierung der Mikrophysik gesellschaftlicher Macht, die, wenn die sich nach Idylle sehnende Seele auch rebellieren mag, sich dem Geist stets aufs neue als zutreffende und einleuchtende Mittel wissenschaftlicher Analyse erweisen.

Als einer von innerer Wissbegierde wie von äußerem (gesellschaftlichem) Argwohn und Skepsis, gleichermaßen getriebener, wurde er zum Akteur und Chronisten einer Episode der Wissenschaftsgeschichte und Advocatus Diaboli der Pax Humanae, der scheinbar so friedlichen Koexistenz akademischer Fachrichtungen.

TP meinte dazu auch: "Sein Hauptaugenmerk gilt daher den Disziplinen und Instanzen, denen diese Normalisierung (meist mit dem Anspruch zu behandeln, zu helfen, sogar zu befreien) obliegt: Pädagogik, Psychologie, Psychiatrie, Medizin, Kriminologie, Justiz. Deren Umgang mit dem Subjekt, ihre Diskurse über den Menschen, die das Subjekt erst konstituieren, gilt es zu hinterfragen. Die dunkle Seite der Aufklärung sieht Foucault dabei gerade im "Humanismus":

Ich verstehe unter Humanismus die Gesamtheit der Diskurse, in denen man dem abendländischen Menschen eingeredet hat: Auch wenn du die Macht nicht ausübst, kannst du sehr wohl souverän sein. Ja, ...je besser du dich der Macht unterwirfst, die über dich gesetzt ist, umso souveräner wirst du sein. Der Humanismus ist die Gesamtheit der Erfindungen, die um diese unterworfenen Souveränitäten herum aufgebaut worden ist: die Seele (souverän gegenüber dem Leib, Gott unterworfen), das Gewissen (frei im Bereich des Urteils, der Ordnung der Wahrheit unterworfen), das Individuum (souveräner Inhaber seiner Rechte, den Gesetzen der Natur oder den Regeln der Gesellschaft unterworfen).
Michel Foucault: Von der Subversion des Wissens, Frankfurt 1978, S.114"

Foucault, warum warst du so klug ? -ed

1 Comments:

At 30 Oktober, 2006 23:30, Blogger Björn Grau said...

yep. war'n guter, der michel.
aber auch marx' denkspruch vom interpretieren der welt (durch die philosophen) und dem verändern derselben (durch ?) passt hier ganz gut. solange die docs davon ausgehen, das das individuum krankt und nicht das system, verhalten sie sich auf keinsten revolutionär. da dürfen sie sich dann auch nicht mit marcuse etschuldigen, bei dem es kein ausserhalb des systems gibt, denn sie dienen dem innerhalb. nächtliche grüße,
björn

 

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