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Benjamin Franklin

Mittwoch, Juli 11, 2007

Wände zum Einsturz bringen

Paul Auster gehört für mich zu den wirklichen Könnern. Ein Schriftsteller, dessen Bücher mich jeder Zeit über ein Wochenende retten können. Um euch etwas an diesem Genuss teilhaben zu lassen, möchte ich ausnahmsweise mit etwas Literarischem aufwarten, und habe mal diese Passage aus der Sammlung "Mein New York" für euch abgetippt:

New York 'Er hatte in den fünfziger Jahren den Paris Review mitgegründet, hatte zwei erfolgreiche Frühwerke veröffentlicht (Underground City, Men Die), und gerade als er sich einen Namen zu machen begann, verschwand er von der Bildfläche. Er stieg einfach aus dem Literaturbetrieb aus und ließ nie wieder von sich hören.

Ich kenne nicht die ganze Geschichte, aber aus gewissen Bemerkungen konnte ich schließen, dass es ihm ziehmlich dreckig gegangen war und dass er eine lange Zeit voller Rückschläge und Entbehrungen durchgemacht hatte. Unter anderem erzählte er von Schockbehandlungen, dem Scheitern seiner Ehe und mehreren Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken. Nach seiner Darstellung hatte er das Schreiben aus medizinischen Gründen aufgeben müssen - also nicht freiwillig. Die Elektroschocktherapie habe seinen Organismus geschädigt, sagte er, immer wenn er einen Stift in die Hand nehme, würden seine Beine anschwellen und ihm unerträgliche Schmerzen verursachen. Da ihm das geschriebene Wort nicht mehr zur Verfügung stehe, müsse er sich jetzt auf das gesprochene Wort verlassen, um seine 'Botschaft' in die Welt zu schicken. Er gab uns in dieser Nacht eine erschöpfende Demonstration davon, wie gründlich er sein neues Medium gemeistert hatte, erst in der Oben-ohne-Bar, dann auf einen Spaziergang, der uns fast siebzig Blocks weit bis nach Mornigside Heights führte: Der Mann redete wie ein Wasserfall, quatschte und quasselte uns die Ohren voll mit einem Monolog, der mit nichts zu vergleichen war, was ich je zuvor gehört hatte. Es war das wirre Gerede eines überspannten Hippie-Propheten, eine unaufhörliche, leidenschaftliche Eruption von Paranoia und Geistesblitzen, eine schlingernde Gedankenreise, die so rasend schnell und unvorhersehbar zwischen Tatsachen, Metaphern und Spekulationen hin und her sprang, dass es einem buchstäblich die Sprache verschlug. Er sei mit einem Auftrag nach New York gekommen, erzähte er uns. Er habe fünfzehntausend Dollar in der Tasche, und wenn seine Theorien über das Finanzwesen und die Strukturen des Kapitalismus zuträfen, werde er mit diesem Geld die amerikanische Regierung stürzen können.

Squatter Eigentlich war das alles ganz einfach. Sein Vater war kürzlich gestorben und hatte Doc den erwähnten Betrag vererbt; und statt das Geld für sich selbst auszugeben, gedachte unser Freund es zu verschenken. Nicht auf einen Schlag und nicht an eine bestimmte Person oder wohltätige Einrichtungen, sondern an alle, an die ganze Welt auf einmal. Zu diesem Zweck hatte er die Bank aufgesucht, den Scheck eingelöst und sich in Fünfzig-Dollar-Scheinen auszahlen lassen. Mit diesen dreihundert Porträts von Ulysses S. Grant als Visitenkarte wollte er sich bei seinen Mitverschwörern vorstellen und die größte ökonomische Revolution der Geschichte entfesseln. Geld ist schließlich eine Fiktion, wertloses Papier, das Wert nur erwirbt, weil eine große Anzahl von Menschen ihm Wert beimisst. Das System beruht auf Vertrauen. Nicht auf Wahrheit oder Realität, sondern auf kollektivem Glauben. Und was würde geschehen, wenn man dieses Vertrauen untergrübe, wenn eine große Anzahl von Menschen plötzlich an dem System zu zweifeln anfingen? Theoretisch müsste das System zusammenbrechen. Das war in aller Kürze der Gegenstand von Docs Experiment. Die Fünfzig-Dollar-Scheine, die er an Fremde verteilte, waren nicht einfach Geschenke, sondern Waffen im Kampf für eine bessere Welt. Er wollte mit seiner Verschwendung ein Zeichen setzen, er wollte beweisen, dass man sich selbst desillusionieren und den Bann brechen kann, in den uns das Geld geschlagen hält. Jedes Mal wenn er einen Batzen Geld zur Verteilung brachte, wies er den Empfänger an. es so schnell wie möglich auszugeben. Gib es aus, verschenk es, bring es in Umlauf, sagte er, und sag dem Nächsten das Gleiche. Auf diese Weise käme über Nacht eine Kettenreaktion in Gang, und im Handumdrehen würden so viele Fünfziger durch die Gegend fliegen, dass das System aus den Fugen geriete. Wellen würden davon ausgehen, Neutronenladungen aus Tausenden, ja aus Millionen verschiedenen Quellen würden durch den Raum springen wie kleine Gummibälle. Und hättensie ersteinmal genug Tempo und Schwung, würden sie die Durchschlagkraft von Geschossen bekommen und allmählich die Wände zum Einsturz bringen.'


Das Original: Paul Auster, Mein New York, Rowohlt Verlag, 2000

Fotos: (c) by Frieder Blickle

2 Comments:

At 12 Juli, 2007 02:07, Anonymous Anonym said...

Lest Jack Kerouac und fangt an zu kiffen.

 
At 25 Juli, 2007 00:00, Anonymous Anonym said...

jack kerouac is nen wichser...

 

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